Last Christmas

Am Samstag fand der letzte Brunch des Jahres statt, der „Weihnachtsbrunch“. Wir haben eingeladen und es kamen viele Gäste und auch viele Helfer. Schon im Vorfeld wurde fleissig mitgeholfen: das Essen wurde gekocht, die Taschen wurden gepackt. Natürlich nicht zu vergessen, die fleissigen Gutslebäcker. Danke an Margaret für dein treues, langjährige Engagement. Jetzt müssen andere übernehmen.

Ulrike und Martin haben wieder die Tische dekoriert, so wie sie es schon lange machen. Auch dafür vielen Dank. Sascha lieferte das Essen an, das von Lilly gekocht war. Es gab so viel zu tun und glücklicherweise kamen viele Mitarbeiter. Der Weinberg des Herrn halt.

Wir gingen in einen angrenzenden Raum, (warum kommt mir da immer nur Müttergenesungswerk in den Sinn?) und wurden von Elke wie gewohnt instruiert. Während wir in der anschließenden Gebetsrunde beteten, kamen auch schon die ersten Gäste.

Das Gebet ist ein sehr wichtiger Teil da wir nicht nur für unsere Freunde beten, sondern auch für uns Mitarbeiter und unsere Familien. Ich fand Zeit, für meine beiden jüngsten Söhne zu beten. Ich tat es im Stillen. Aber ich hätte auch in das Gebet der anderen Beter einstimmen können. Gerry hat nach den Top 100 Bibelstellen jetzt die Namen in der Bibel. Eine Herausforderung in mehrerer Hinsicht.

Wir müssen hier nicht so tun, als gäbe es keine Probleme oder keine Bosheit auf der Welt. Mir ist nicht immer wohl. Wenn die eigenen geliebten Kinder an ihrem eigenen Leben leiden oder verzweifeln und nicht leben wollen, dann ist das Sonntags-Smile nicht nur überflüssig. Was können wir anderes tun, als lieben und dafür beten, dass sie ein wenig von unserer Freude und unserem Glück und unserem Frieden erhaschen. Etwas, das sie herausholen könnte und wieder zurück ins Leben holte. Oh, ich wüsste was oder so viel. Aber wer hört schon auf mich?

Wichtig ist, dass wir uns nicht in irgendein Charityding einbringen, sondern dass unser Dienst für viele einen Unterschied macht, gerade, weil wir es für Jesus tun.

Meine Erfahrung lehrte mich, dass ich durch diese Brunchfeiern Veränderung erfahre. Veränderung, die sonst nicht so möglich wäre. Einige meiner Geschwister lernte ich erst durch den Brunch kennen und lernte, sie zu lieben.

Tatsächlich ist es Jesus, der einlädt. Der Brunch ist keine Selbsterfahrungsgruppe im psychotherapeutischen Sinne. Wir begegnen einander, wir reden miteinander, wir helfen einander, wir lernen voneinander. Oft genügt ein Lächeln, um einem den Tag zu verschönern oder zu retten. Der Brunch ist daher so viel mehr.

Gerade bei uns, in der Süddeutschen Gemeinschaft, ist eine Offenheit entstanden, die ansteckend ist. Das merken nicht nur wir Oldies, sondern auch die neuen Mitarbeiter und vor allem unsere Gäste.

An diesem Samstag kamen mehr und mehr Gäste. Der Weihnachtsbrunch bedeutet für manchen eine Tüte mit Wollsocken, löslichem Kaffee, Gebäck und Schnickschnack. Ja, andere Gemeinden sind da vielleicht üppiger mit Geschenken. Unsere Taschen waren auch gefüllt. Doch die gab es erst später.

Am Anfang gab es Kaffee und ein Stück Linzer Torte. Oder zwei. Die Tische füllten sich langsam aber stetig. Dieses Mal war es sogar interessant zuzusehen, wer an welchen Tisch ging. Ich saß an einem Tisch mit Ewald und anderen. Jemand kam und fragte einen der anwesenden, ob er geimpft sei. Ewald und ich schauten uns an und mussten lachen. Derjenige meinte es überaus ernst. Er wollte nicht neben einem Geimpften sitzen. Als Mit-Gastgeber sagte ich, diese Frage sei zu persönlich oder intim, als dass sie beantwortet werden müsse. Nach kurzem Hinundher setzte sich der Gefragte zwei Stühle weiter, wohl auch, um keine weiteren Diskussionen führen zu müssen. Es ergab sich in den darauffolgenden Minuten, dass der Tisch mit 50% Ungeimpften besetzt wurde. Ich nannte den Tisch aber dennoch den Verschwörertisch.

Ein anderer Tisch war überwiegend mit Gehörlosen besetzt. Man konnte diesen Tisch laut gestikulierend beobachten. Wieder ein anderer Tisch hatte eine rein italienische Ecke. Parlare italiano?

Eine bunte Mischung war es dennoch. Herrenberger Wohnsitzlose waren eine Minorität. Um etwas Intimität zurück zu bekommen, werden wir unsere kleine Friends Time wiederbeleben, falls kein neuer Lockdown kommt.

Irgendwann gab es keine freien Plätze mehr. Wir mussten zwei weitere Tische hereintragen, damit neuer Platz geschaffen werden konnte.

Dann eröffnete Elke den Brunchgottesdienst. Thilo und Elke sangen. Ich war wieder für die Technik zuständig. Die Lieder waren bekannt und ich musste lediglich die Texte auf die Leinwand projizieren und man konnte die Gäste singen hören.

Thilo hielt eine kurze Andacht über einen Mann, der gehört hat, dass der König kommen würde. Nun wollte er aufräumen, damit er einen guten Eindruck hinterlassen würde, falls der König zu ihm käme. Thilo erzählte weiter, dass der Mann es zwar versuchte, aber es unmöglich alleine schaffen würde. Deshalb rief er aus dem Fenster um Hilfe und schließlich kam sogar jemand und half ihm beim aufräumen. Es war der König selbst, wie sich am Ende herausstellte. Unsere Gäste hörten aufmerksam zu. Wer konnte es aber wirklich fassen, dass er oder sie selbst damit gemeint waren? Ich kann es nicht sagen. Wir müssen nur nach Jesus rufen und dann erkennen, dass er schon bei uns ist. Das ist Glauben.

Unsere Gäste sind vereinzelt bereit dazu. Am „Gehörlosentisch“ wurde die Andacht mit den entsprechenden Gebärden übersetzt. Was für eine besondere Erfahrung muss das sein, dachte ich mir. An anderen Tischen wurde gefragt, was der König überhaupt für Geschenke brauche. Er hätte doch alles. Und das ist der Sinn der kurzen Andachten. Auch wenn sie in der Gänze unerfasst bleiben, so regen sie doch beim einen oder anderen etwas an. Vielleicht auch etwas mit Nachhall.

Dann gab es die Taschen und das Essen. Anders als üblich bedienten wir Mitarbeiter unsere Gäste. Sie mussten sich nicht anstellen. Zuerst gab es eine Flädles-Suppe, danach Geschnetzeltes mit Linsenreis und Wirsing. Eine unübliche Kombi, wie ich finde, aber inzwischen hatten sie alle Hunger und konnten mit Genuss essen.

Danach gab es noch Nachtisch, es wurde noch Kaffee ausgeschenkt. Die Tische blieben noch einige Zeit bevölkert, die Leute unterhielten sich angeregt.

Währenddessen waren Mitarbeiter nicht nur bei der Essensausgabe beschäftigt, sondern auch schon in der Küche beim Spülen. Das Geschirr von mindestens 70 Personen wurde gespült und abgetrocknet.

Ich war immer wieder an den Tischen im Gespräch mit Leuten. Viele kenne ich ja inzwischen und freue mich über ein gutes Gespräch. Lisa ist oft seelsorgerisch unterwegs. Da bleibt oft wenig Zeit, sich anderweitig zu betätigen.

Da die Räume der Süddeutschen Gemeinschaft sehr gut ausgelastet sind (gleich im Anschluss war die Probe für das morgige Krippenspiel und danach würde noch ein Film gezeigt), müssen viele Hände Hand in Hand arbeiten.

Der Boden wurde gesäubert, die Stühle und Tische wurden verstaut. Und irgendwie ist es immer so, dass einige wenige immer sehr viel machen, damit die vielen eine angenehme Atmosphäre erleben können. Und ich denke, das ist der Plan von Jesus in diesem Haus.

Die Armen werden immer da sein, sagt Jesus. Darum sind wir am 23. Dezember und am 30. Dezember speziell für unsere Herrenberger Menschen und Freunde im Einsatz. Was könnten wir Besseres tun? Für manche wird es vielleicht wirklich das Last Christmas, das letzte Weihnachten sein.