High(er) Expectations

Wie die Zeit vergeht. Jeder kennt es. Dieses Gefühl, so viel Zeit vergangen und so wenig geschafft. Zu meiner Entschuldigung, ich habe mit Lisa einen schönen Urlaub gehabt, der auch dringend notwendig war.

Der Akku war leer und es wurde Zeit, an mich zu denken. Trotz allem Engagement bei meinen beruflichen oder privaten Unternehmungen, die ich gerne wahrnehme, muss ich immer wieder auch auftanken. Es ist wichtig, damit man die Arbeit tun kann, die ja sonst keiner tut.

Ich denke, Freunde e.V. hat es in Herrenberg geschafft, das Thema Obdachlosigkeit, Armut oder Drogensucht in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Seit unserer Gründung haben wir versucht, Menschen sichtbar zu machen, die bislang nicht wahrgenommen wurden. Wir haben sie und uns Freunde genannt, weil wir sie nicht als Klientel betrachten und möchten nicht, dass auf sie herab geschaut wird. Wir möchten sie als Menschen sehen und ihnen damit ihre Würde zurückgeben.

Zugegebenermaßen, es sind Menschen mit Problemen, und die meisten ihrer Probleme sind nicht die Probleme der Mehrheitsgesellschaft. Sie haben Bedürfnisse, wie jeder Mensch und ein paar mehr.

Jeder Mensch braucht Wertschätzung. In der Familie, im Beruf, in den verschiensten Peergroups. Warum sollte das bei unseren Freunden anders sein? Ihre Probleme sind so offensichtlich, dass es schwer fallen müsste, sie nicht sehen zu wollen.

Obdachlosigkeit ist der Zustand, kein eigenes Zuhause zu haben. Jeder hat doch ein Zuhause möchte man meinen, aber das ist falsch. Es gibt Menschen, die ihr Zuhause verloren haben. Aktuell nehmen wir es in den Medien wahr, dass Menschen aus der Ukraine fliehen und ihr Zuhause verloren haben. Wenn sie hier in Deutschland oder anderswo Wohnungen bekommen, ist es oft schwer, diese als ihr neues Zuhause zu betrachten. Das Zuhause ist demnach nicht nur eine Wohnung mit Küche, Bad und WC. Das Zuhause hat etwas mit Wurzeln zu tun. Man ist verwurzelt. Das ist die eigene Kultur, es sind die Menschen, mit denen man aufgewachsen ist oder die Familie in die man geboren wurde oder die einen aufgenommen hat.

Viele sind dankbar, hier, fern ihrer Heimat, ein Zuhause aus vier Wänden bewohnen zu dürfen. Die Regierungen erwecken den Eindruck, ihren Pflichten, diese Menschen unterzubringen, nachzukommen. Das Netz der Hilfsangebote ist glücklicherweise eng geknüpft. Ich würde mir wünschen, dass dieses Engagement und auch entsprechend Geld endlich auch für unsere Freunde zur Verfügung stehen würde, damit auch sie ein Zuhause zurück bekommen.

So waren unsere Themen bei der diesjährigen Mitgliederversammlung auch bei dem Ausblick und den Erwartungen welche Hilfen wir in der folgenden Zeit für unsere Arbeit anbieten können. Den Fokus setzen wir weiterhin auf eigene Räumlichkeiten, in denen wir eine Tagesstätte bzw. Teestube umsetzen wollen. Aber ebenfalls möchten wir Hauskreise oder Selbsthilfegruppen etablieren. In Büroräumen, wollen wir Beratung mit professioneller Hilfe anbieten.

Das sind zugegebenermassen hohe Erwartungen. Und aktuell können wir auch noch nichts umsetzen. Eine konservative Herangehensweise mit langen Gesprächen mit verantwortlichen Gremien können wir ebenso akzeptieren, wie eine schnelle Umsetzung und unserem Enthusiasmus.

Meine Herangehensweise wäre: Just do it. Einfach beginnen. Wir sind so oder so in Wartestellung. Wir würden aus wirtschaftlicher Sicht keine Schnellschüsse wagen. Aber die Hilfe muss kommen. Wie wir erst jetzt wieder erleben mussten , sterben unsere Leute weg. Die gesundheitliche Situation unserer Freunde ist nicht gut, aber wie wir auch wissen, können Menschen, die auf der Straße gelebt hatten, auch zurück in die Gesellschaft kommen, eine eigene Wohnung haben und sich altiv um ihre berufliche Integration kümmern. Wir glauben daran, dass Chancen und Hilfen angenommen werden.

Wir sprachen über unsere Aktivitäten, Gabenzaun, Samstags-Mahl-Zeit, aber auch über den Brunchgodi, bei dem einige unserer Mitglieder teilnehmen. Die Mitarbeitersituation ist angespannt, aber wir sehen, dass wir Menschen erreichen und sie für die Arbeit begeistern können. Das ist durchaus ein positives Fazit, das wir ziehen können.