Und täglich grüßt das Murmeltier

Nach der Arbeit noch kurz einkaufen. Es war nicht wirklich notwendig, aber manchmal ergebe ich mich dem Drang, den Wochenprospekt vom Kaufland durchzugehen und nach Artikeln zu schauen, die ein gutes Preis/Leistungs- Verhältnis haben.

Gestern war es soweit. Barilla Nudeln für 77 Cent, Appel Fischdosen für 1€, Dr. Oetker Knuspermüsli für 2€, Bierdosen 20% reduziert: Was mich letztlich bewog, ins Kaufland zu gehen. Und das, obwohl ich mir selbst eine strenge Diät auferlegt habe. 1122 Kalorien. Meist liege ich darunter. Gestern sogar nur 586 Kalorien. Ich habe natürlich auch kleine Erfolge. Stand heute morgen 5,6 kg. In 4 Wochen. Ohne Sport. Ist noch ein langer Weg zu gehen. Aber andererseits überschaubar. Disziplin ist alles.

Apropos Disziplin. Nicht nur ich ließ mich von den Lockangeboten des Kaufland verführen. Ganz Herrenberg schien sich bei Kaufland einzufinden. Und natürlich traf ich zufälligerweise auch einige unserer Freunde.

Ich sollte unsere Treffen eher als informelle Meetings beschreiben. Ich erfahre, wer dies oder jenes macht, wem es gut oder nicht gut geht. Gesundheit, das ist echt ein Thema für unsere Freunde. Nicht diese Ewiges-Irdisches-Leben Gesundheit. Ganz praktisch. Kein Arzt, der dich zu einer Knieoperation überredet, weil er dir sonst nichts andrehen kann, weil du ausser Fettleibigkeit keine Probleme hast. Wohlstandsbäuche. Nein, am anderen Ende der Spirale. Da wo der Alkoholismus, Drogensucht und Mangelernährung Menschen in allmählich kritische und kritischere Zustände führen. Von den abgeschossenen Gehirnzellen einmal abgesehen.

Hilflos stehen wir dem gegenüber. Während bei mir eine Dose Hofbräu für 63 Cent als Nahrungsergänzung (250 Kalorien) zählt, ist es für die Hardcore-Fälle notwendige Medizin, wenn sie ihre 5er Päcks mit irgendwelchen undefinierbaren alkoholischen Getränken einpfeifen, damit sie überhaupt aufstehen können. Das ist echt am anderen Ende des Spektrums.

Ich kenne meine Leute. Es sind einfache und gute Menschen. Sie haben ein Problem. Oder viele. Und der Konsum von was auch immer und mehr bringt keinem Einzelnen etwas. Der Rausch ist so was von alltäglich. Nichts besonderes. Vermutlich ist der Rausch die Realität und Nüchternheit ist ein Alptraum. Nur scheint es, dringt die Alptraumrealität auch in ihre Rauschrealität ein. Ich habe nicht gefragt, wie oft die Polizei in der letzten Woche wieder aufgetaucht ist. Wo wieder eine Scheibe eingeschlagen wurde, weil jemand sauer war, weil ihm oder ihr der Zugang verwehrt wurde. Ich konnte nicht nach jedem Einzelnen fragen. Wer gerade verliebt ist und ob diese Liebe noch besteht. Was wird, wenn diese Liebe beendet wird? Sie endet nicht einfach, wie bei uns (?), sie wird beendet. Sehr abrupt. Ok, manchmal endet sie auch einfach. Wenn das Interesse aufhört. Oder, naja.

Ich weiß, dass viele sich sehnen, aber die meisten wissen, sie würden es doch wieder kaputtmachen. Oder sie glauben, es wäre sowieso nicht von Dauer. Oder manche glauben ernsthaft, sie seien ungeliebt und nicht liebenswert. Und manche wollen einfach nicht verletzt werden oder nicht schon wieder.

Jeder Mensch hat eine eigene Strategie. Manche Strategien dienen zur Lösung eines Problems. Andere Strategien sind Vermeidungsstrategien, die ein Problem ausblenden, anstatt zu lösen. Wie erwachsen so etwas ist, wie unreif, möchte ich nicht ausführen. Es ist in unserer Gesellschaft üblich geworden. Der gesunde Menschenverstand wird nicht mehr sehr oft angewandt. Kausale Zusammenhänge werden ignoriert. Wir praktizieren Verleugnung auf nahezu allen Ebenen. Keiner ist sich mehr sicher, was er denken soll, was er entscheiden soll, was er glauben soll. Medial werden wir bombardiert mit Horrormeldungen über eine Pandemie, die ich besser auch nicht kommentiere, über eine dramatische Klimaveränderung, mit einem April so kalt wie seit 40 Jahren nicht, auch der Mai ist bislang einfach nur zum Erbrechen. Ach ja, Rassismus, der böse weiße Mann und natürlich systemisch, immer garniert mit den üblichen rechten Gewaltakten. Alles wirklich schlimm.

Was auch schlimm ist, zum Beispiel Altersarmut, eine kollabierende Wirtschaft, Korruption in der Regierung, Kollateralschäden der Pandemie, Verlust von Grundrechten: die Liste könnte endlos weitergeführt werden, aber das wird nicht annähernd so gewürdigt, wie es sein müsste. Es ist, als ob dieses Land infantilisiert. Strom kommt aus der Steckdose. Ganz toll.

Es ist halt so, sagen jetzt manche. Kann man sowieso nichts daran ändern. Und ändert auch nichts.

Diese Zeitenwende ist da und dieser Great Reset kommt und wir bekommen keine Antworten auf Fragen, die wir uns nicht mehr zu stellen wagen.

Hilflos, genauso hilflos wie unsere Freunde sind wir. Jedoch ohne den Ballast einer Sucht und mit dem Glauben an Jesus Christus können wir mutig und freudig voranschreiten und unseren Dienst tun.

Wenn ich mir also anhören muss, das es jemand so richtig schlecht geht, dann habe ich kein Mitleid. Ich kann keine Tränen weinen. Ich möchte reinschlagen in dieses Elend. Ich würde es liebend gerne abnehmen, wie ich die Situation, in der wir stehen annehme und nicht ändern kann. Aber ich laufe nicht weg. Ich schaue nicht weg. Irgendwann werden es mehr sein, die hinschauen müssen. Mit Herzen, die ihre Verstocktheit nicht mehr kennen. Mit Liebe für jede Kreatur. Ich glaube, das geht nur mit Jesus. Keine Menschen mit ihren Plänen, das Klima zu retten, eine gerechte sozialistische Gesellschaft (schon wieder) zu errichten, die natürlich scheitern wird.

Nächsten Monat werde ich wieder den Kaufland Prospekt aufschlagen. Die Preise werden gleich sein oder höher. Das Bier wird wieder angepriesen werden. Vielleicht mache ich mich wieder auf zur Jagd nach Sonderangeboten und Schnäppchen. Unterdessen steigt Bitcoin und Dogecoin und Ethereum. Und es wird wieder Hiobsbotschaften geben. Kurzmeldungen. Haltbarkeit 5 Minuten. Und dann geht man über zu Klima, Virus, Rassismus. Same procedure. Und täglich grüßt das Murmeltier.