Sucht ist eine Krankheit

…und sie ist heilbar. Ich kann mich keineswegs als Beispiel zitieren, obwohl ich mich nicht als süchtig sehe. Ich trinke mehr oder weniger regelmäßig, aber nicht täglich. Ich glaube, ich bin ein Genuß-Trinker. Ich habe auch gerne einmal einen leichten Rausch. Ich trinke überwiegend erst am Abend, wenn meine weltlichen Pflichten erledigt sind. Ich weiß, wann ich trinken darf, und wann es unangemessen ist. Wenn ich trinke, trinke ich oft zuviel, das heißt, statt ein oder zwei Bier, trinke ich drei oder vier. Immer das selbe. Ich fühle mich kommunikativer. Lähmung des lymbischen Zentrums. Funktioniert. Dann trinke ich aber am Tag darauf nichts. Ich möchte das Leben in vollen Zügen genießen. Dazu muss ich überwiegend nüchtern sein und unverkatert. In meiner Bar habe ich mehrere Dutzend hochwertige Whiskys und andere Spirituosen. Ich konsumiere weiterhin keine anderen Drogen. Letztes Jahr im Krankenhaus, zwei OPs, hätte ich gern länger „mein“ Opiat bekommen. Hat schon was. Warmes Bad. Angenehm. Der Abschied war nötig, er war schwer, doch er war rational richtig. Kein Verlangen. Ich möchte frei sein. Auch frei von Drogen. Bin ich süchtig?

Wie sieht der Alltag eines Süchtigen aus? Man erwacht mit einem Mangel. Der ganze Körper, selbst die Gedanken lechzen nach dem Stoff. Ich glaube, es ist ganz egal, welche Substanz. Ist etwas im Haus, wird es konsumiert, damit der normale Pegel hergestellt ist. Ich stelle es mir so vor, dass man im nicht-süchtigen Zustand bei Nullpegel aufwacht. Ein, zwei Mal strecken, duschen und man ist bereit. Im süchtigen Zustand wacht man immer bei Minus-Pegel auf. Die Substanz dient dazu, in Richtung Nullpegel zu kommen. Je nach Schwere der Sucht und je nach Substanz gelingt dies mehr oder weniger gut. Im Vergleich zum Nicht-Süchtigen hat man schon beim Erwachen einen Nachteil. Einen schwerwiegenden Mangel. Während der Nicht-Süchtige fähig ist, Sport zu treiben und Spaß dabei hat und Endorphine (Glückshormone, ein körpereigenes Opiat) freisetzen kann, ist dies dem Süchtigen relativ unmöglich. Der freie Mensch kommt in höhere Pegel, so eine Art Natural High, der positive Bereich. Dorthin kommt der Sklave nur durch Substanzen und dieses High ist künstlich und durchaus kurz. Im Unterschied zum freien Menschen ist das Absinken des Pegels mit einer Art Depression verbunden, was wiederum durch erneute Einnahme der Droge verlangsamt oder kurzzeitig unterbrochen wird. Hier wirkt jede Droge anders, doch am Ende schläft man, oder wünscht sich schlafen zu können. Dies wiederholt sich über das Jahr hundertfach, über die Jahre tausendfach. Eigentlich ist es eine Geisteskrankheit. Gesunde Menschen würden sich das niemals antun. Freie Menschen würden nie so etwas machen. (Kleine Anmerkung: Auch in der Sucht gibt es graduelle Unterschiede. Pegeltrinken und/oder Quartalsabschuss, oder nicht). Ich spreche hier weniger über sozialverträgliche Sucht. Auch den Süchtigen, der seine Sucht kontrolliert und nicht umgekehrt.

Auch in unserer Kultur bekannt, (Mohnsäckerl)

Der Wunsch, sein Dasein zu transzendieren, ist so alt, wie die Menschheit. Diese Sehnsucht nach Transzendenz kann ich nicht erklären. Sie ist einfach menschlich. Doch auch manche Tiere haben Stoffe oder Substanzen entdeckt und lieben es, high zu werden. Ein Tier mag es unbewusst tun. Der Mensch greift bewusst zur Droge. Die Droge greift chemisch ins Gehirn ein. Es werden Neurotransmitter, Hormone freigesetzt oder blockiert. Serotonin, Adrenalin und was auch immer, lymbisches Zentrum, whatever, werden durch Zufuhr von Stoffen stimuliert. Ich möchte hier keinen Anspruch auf korrekte medizinische oder chemische Begrifflichkeiten erheben. Alles ist Temporär. High sein, frei sein. Einmal, vielleicht. Durch öfteren oder dauernden Gebrauch verliert das High seinen Reiz, und natürlich seine Wirkung. Gesunde Menschen wissen das. Ihre Herangehensweise mag sein: Brauch ich nicht. Ganz sicher: Will ich nicht. Sie wollen wenn sie eine Droge konsumieren einen bestimmten Effekt. Sie wollen einen Zweck erreichen. Mit einer gewissen Verstandeskraft erreichen sie ihr Ziel. Der Süchtige, der Kranke möchte seinem Elend entfliehen. Er möchte den ersten Kick noch einmal so erleben, wie das erste Mal. Wenn Engel singen. „Excuse me while I kiss the sky“, (Jimi Hendrix). Es kann nie wieder so sein. Alles nur ein Abklatsch. Aber dadurch, dass er unfähig ist, dies zu akzeptieren und entsprechend unfähig, sich selbst zu mäßigen und zu kontrollieren, schädigt er vor allem sich selbst, aber auch andere. Je mehr und je länger, desto kaputter. Drogen machen asozial. Das hat mit dem ursprünglichen Wunsch nach Transzendenz, nicht mehr viel gemein.

Die Synapsen rotieren. Jeder, der schon mal einen Kater hatte, kennt dieses Gefühl. Man fühlt sich erbärmlich. Leiden. Oder ein, zwei Aspirin einbauen, um die Symptome zu linden. Vernünftigerweise wird man kein sogenanntes Konterbier trinken. Das ist ein Mythos. Aushalten ist besser. Strafe muss sein. Kein High ohne einen Preis. Lieber aushalten. Nach dem Motto: Wer trinken kann, kann auch arbeiten. Außerdem zeugt es von Schwäche. Unser Kulturkreis kennt Alkohol schon seit vielen Jahrhunderten, eher noch länger. Es gibt gewisse Regeln. Die Schwachen (die Kranken?, die Prädisponierten?) halten sich nicht daran. Darum werden sie auf die eine oder andere Weise sanktioniert. Sie scheiterten. Generell gilt die Einnahme von Drogen in gewissem Rahmen als akzeptabel. Deshalb kann man sie in Geschäften, am Kiosk, an der Tankstelle, im Supermarkt kaufen. Es wird erwartet, dass der Käufer verantwortungsvoll mit der Droge umgeht. Es gibt sehr hochwertige alkoholische Artikel. Bestimmten Weinen, Whiskys, Cognacs, Armagnac, Gins, Wodkas und anderem schmeckt man das Besondere heraus. Das sind Genussmittel. An wenige Weine erinnere ich mich selbst noch nach vielen Jahren. Biere stehen nicht so hoch im Kurs, obwohl man auch hier von Braukunst spricht.

Und dann gibt es die Masse an Alkoholica, die produziert wird, weil es in der Gesellschaft eine Nachfrage nach billigem Alkohol gibt. Ich neige dazu, dieses eher als legales dealen zu bezeichnen. Sie wollen keine hochwertigen Produkte herstellen. Hier ist der Alkohol im Vordergrund, der billige Rausch. Für die Partyszene, für junge Konsumenten. Natürlich für den Süchtigen. Alkohol ist das Produkt. Rausch der Zweck. Wenn Heroin oder Kokain oder andere pharmazeutische Drogen, frei verkäuflich wären, würde es nach dem Prinzip Angebot und Nachfrage den Markt überschwemmen. Ach ja, die Pharmaindustrie. Moralisch ist nur das Label: Gesundheit. Doch Millionen von Menschen sind süchtig. Mother’s little helper, Stimmungsaufheller, Schlafmittel, und so vieles mehr. Eine endlose Produktpalette mit dem Ziel möglichst viel Umsatz zu machen.

Sie haben andere Distributionskanäle. Ihre Händler heißen Apotheker, ihre Ärzte bestimmen darüber, wer und wieviel ein Konsument bekommt. Keiner macht sich die Finger schmutzig. Es ist ja medizinisch angezeigt. Es ist jedem Patienten lieber, von einem ausgebildeten Mediziner versorgt zu werden. Vertrauen sie dem Titel, dem weißen Mäntelchen (purpur sind die anderen). Ein Multimilliardenmarkt. Den Cheflobbyist nennt man neuerdings Gesundheitsminister. Unsere Süchtigen, die es wagten, illegale Drogen (warum wohl) von anderen Kartellen zu kaufen, werden jahrelang kriminalisiert, bis sie lernen, von wem sie kaufen dürfen. Der Markt verträgt keine anderen Drogen, heißt es. Süchtige, das ist der einstellige Bodensatz in der Gesellschaft, der immer süchtig sein wird. Vermutlich hat man ausgerechnet, dass es für die Gesellschaft billiger ist, wenn man alles so lässt, wie es ist. Ein paar sterben, ein paar finden Jesus, die anderen konsumieren. Sind ja auch Steuereinnahmen, Arbeitsplätze. Oder?

Ganz echt, ich weiß keine Lösung. Ich habe selbst süchtige Kinder. Es sind so viele Faktoren, die bestimmen, warum jemand lieber in der Sucht bleibt, obwohl man so oft und immer die Hände reicht. Obwohl die Denk-Kapaziät ausreichend sein müsste, die eigene Situation zu reflektieren. Es spielen ganz bestimmt Scham, Schuld, unreife Gefühle und so viel mehr eine Rolle. Vollendete Tatsachen. Ich lebe aus meinem Glauben heraus. Ich weiß, wir sind zur Freiheit bestimmt. Kein Herr über uns, nur Gott. Und ich glaube, bei all dem unterschätzt man den Widersacher. Unterschätzt nicht Satan himself! Der Feind hat den Süchtigen an den Eiern. Der Rausch (Transzendenz) ist ein Bedürfnis. Die Droge ist die Lüge. Satan ist der Vater der Lüge. Einwände?