ICH WILL ME(H)R

Sommer, Sonne, Sonnenschein, zieh ich mir furchtbar gerne rein. Also habe ich mich von Lisa überreden lassen, nach Split in Kroatien zu gehen. Ich hätte meinen Urlaub auch zuhause verbringen können. Und hätte es bereut…

Die Fahrt (im Panda) war, bis auf den österreichischen Teil (absolute Katastrophe, für mich damit ein Failed State) angenehm. Den Karawanken haben wir nicht genommen, stattdessen über den Pass. Ich mag keine Staus. Eine Übernachtung in Bled, Slowenien war nicht unbedingt nötig, möchte ich aber auch nicht missen. Erstens ist Slowenien ein wunderschönes Land, und die Umwanderung des Sees in Bled und das anschließende Essen konnten meine leere Batterie wieder aufladen. Zweitens war in Slowenien nichts von der deutschen Hysterie in Punkto C oder Klima zu bemerken. Ein erster Lichtblick. Bled wäre es wert gewesen noch einen Tag länger zu verweilen.

Die Fahrt nach Split setzten wir um 7:00 Uhr fort. So kamen wir relativ schnell an die grüne Grenze, wo uns freundliche Beamte von beiden Ländern mehr oder weniger durchwinkten. Das negative Testergebnis war obsolet geworden. Um 13:00 Uhr erhielten wir einen Anruf von unserem Apartment und wir bestätigten die Ankunft um 14:00 Uhr.

Da wir mitten in Split gebucht hatten, konnte ich nur kurz ausladen und begab mich auf die Suche nach meinem Parkplatz. Ich fand ihn auch, keine 2 Fussminuten von unserem Apartment entfernt. Kostenlos, wie ich hoffe, denn die übrigen offiziellen Parkplätze und Parkzonen kosten ein Vermögen. Nicht so teuer, wie in Budapest oder Tel Aviv, aber das gesparte Geld setze ich lieber in hochwertiges Essen oder Trinkgelder um.

Nach der fälligen Dusche sind wir natürlich gleich ins Getümmel. War Slowenien schon entspannt, was – ihr wisst schon – betrifft, so kam mir die Innenstadt von Split vor, als gäbe es gar keine Pandemie. Es gab Leute, die Masken tragen, aber die Mehrheit läuft oben ohne herum. Wir kamen bei einer Zählung auf weniger als 0,5% Maskenträger. Ein sehr positiver Eindruck.

Die Gäste kommen hier aus Polen, Ungarn, Frankreich, Italien, Niederlande, England, Deutschland oder  Übersee. Es sind junge Menschen, und Menschen bis ca. 70 Jahre. Überwiegend Berufstätige, also diejenigen, die gerade diese Party finanzieren. Und hier gibt es eben Sommer, Sonne und das normale Leben, während in Deutschland die Bevölkerung wahlweise von einem Virus oder durch die Klimakatastrophe ausgelöscht wird. Was gerade aktuell ist, bekommen wir nicht mehr mit. Fernsehen und Radio und Zeitungen sind nicht mehr relevant.

Sommer bedeutet T-Shirt Wetter, Shorts, Sommerkleider. Alles ist entschleunigt. Und so begeben wir uns auf Erkundungstour. Wir nehmen fremde Gerüche in uns auf, hören fremde Sprachen, sehen fremde Bilder.

Unser erster Spaziergang führt uns dann sogleich auf den Marjan, einen Hügel  hoch über der Stadt. Was wir nicht wussten, aber dann bemerkten, war das Haus צדיק הדין, was irgendwie (Zadik Gerecht) bedeutet, und dahinter der alte jüdische Friedhof. Lisa und ich lieben es, die jüdischen Plätze und Orte zu besuchen. Das war schon in Prag, Budapest, Krakau oder auch Fürth so.

Am nächsten Tag wollten wir einen Strandtag einlegen. Lisa hatte recherchiert und so gingen wir zu Fuß zum Bene Strandbad. Wir kamen an vielen Bauhaus-Stil Häusern vorbei. Fast fühlte es sich so an, als wäre es nicht Split, sondern Tel Aviv. Jedoch unüberhörbar: Zikaden. Auch im Marjan Park ist dieses permanente Geräusch hörbar. Manche bezeichnen diese Geräusche als Gesang.

Wir fanden einen Platz noch vor dem offiziellen Strandbad und lagen einfach rum und schwammen im Meer. Übrigens schön warm und sauber. Nach einigen Stunden brachen wir auf, um im Va Bene, dem gastronomischen Betrieb etwas zu trinken. Danach liefen wir zurück nach Hause. Insgesamt wurden es 10 Kilometer.

Orte erlaufen. Erarbeiten. Erfühlen. Menschen und Gesichter einerseits, aber ebenso die Natur, die Farben, das Licht.

Das ging so weiter, tagein tagaus, Strand, Attraktionen, Spectacles, Speedboat, Romantische Bootsfahrt in den Abend, Kochkurs, Schlemmertour, Fahrradtour. Lisa organisiert schon sehr straff.

Was aber dazwischen immer wieder passiert, sind Begegnungen. Wir kommen mit Menschen ins Gespräch und erzählen von unserem Verein, von unserem Glauben, unserem Leben. Natürlich wollen wir auch genießen. Gut essen und entspannte Spaziergänge.

Von Chef Zjelko erfahren wir, dass die Senioren kostenlos mit dem Bus zum Markt fahren können, wo sie mit ihren kleinen Renten einkaufen. Wir bemerken natürlich die Armut. Viele Senioren suchen in den Abfallbehältern nach Flaschen. Mit ihren großen, schwarzen Plastiksäcken sind sie nicht zu übersehen. Eine Flasche bringt circa 7ct. In einer touristisch attraktiven Stadt, wie Split kommen viele Senioren auf ein kleines Zubrot.

Eine Organisation, Udruga Most, der viele Köche angehören, kocht täglich für 30 und mehr Obdachlose. Sie betreiben auch mehrere Häuser für ihre Kinder- und Jugendarbeit. Most bedeutet Brücke.

Alkohol trinken wird anders, als in Krakau, in der Öffentlichkeit toleriert. An vielen Stellen sieht man Touristen und auch Einheimische trinken.

So lernen wir Jossip kennen, einen (arbeitslosen?) Schweißer, der 15 Jahre in Deutschland gearbeitet hat. Auch er trinkt sein Bier mit seinem Freund am Hafen von Split. Er erzählt uns, dass nach dem Krieg vor 30 Jahren viele Drogen konsumierten. Dass es für viele Menschen, die in Jugoslawien ein gutes Leben hatten, plötzlich keine Arbeit gab. Er weiß immer noch nicht, warum Kroatien unabhängig sein musste. Er erklärt uns, dass die Kroaten sehr kritisch gegenüber allen Politikern seien. Korruption sei sehr verbreitet. Diese Aussage habe ich bei einer anderen Gelegenheit noch einmal bestätigt bekommen. Sowas gibts bei uns ja gar nicht. 😀

Heute trafen wir Hrvoje, dessen Auto mit einem Jesus-Fischle uns die ganze Zeit aufgefallen war. An der Seite hatte er außerdem einen Aufkleber von Teen Challenge. Google sagte uns, dass dies auch eine Organisation für Drogen Rehabilitation war oder ist. Wie alles, hängt auch hier die Arbeit mitunter am Geld. Samstags gibt es auf jeden Fall einen Coffee-Shop.

Wir unterhielten uns mit ihm über die Arbeit von Teen Challenge und tauschten natürlich unsere Adressen aus. Und wir beteten miteinander. Er sprach auf kroatisch zu einer Freundin von uns etwas auf Whatsapp. So wollten wir ihr Mut zusprechen, da ihr Freund gerade Entzug macht.

Was uns gefallen hat, ist dass Kroatien eine solidarische Gesellschaft zu sein scheint, soweit wir einige Dinge richtig interpretiert haben.

Das Leben geht ja meistens weiter und so müssen wir (und möchten) morgen wieder nach Hause. Zurück zu unseren Familien, unseren Freunden. Mal sehen, was wir so in Herrenberg noch bewegen könnten. Kostenlose Seniorentickets wären bestimmt eine gute Sache. Und doch wollen wir unsere Arbeit in der Sucht und Prävention vertiefen. Frische Energie haben wir ja jetzt wieder.

Apropos Begegnungen. In der Nähe unseres Apartments lernten wir Ciro kennen, den Besitzer des Ciri Biro Bela. Wir trafen ihn mehrmals auf dem Weg nach Hause und kamen ins Gespräch. Auch er hat eine Geschichte und hilft, wenn möglich Menschen. An unserem letzten Abend waren wir im Ciri Biri Bela, einem echt angesagten Restaurant in Split, wo man exquisit essen kann. Lisa hatte sich das gewünscht und ich fand, das sie es auch verdiente. Das Essen war sowas von genial, wir hörten es auch von den Nachbartischen Oh und Ah und Mmh. Als wir die Rechnung verlangten, war nur eine Karte drin:

Gott ist gut. Er schickt uns echt immer wieder Menschen und lässt uns Herzen berühren. Ciro wurde berührt, wir wurden berührt. Wir waren echt sprachlos und als wir gingen, umarmten wir uns wie Brüder es tun. Also, wenn ihr in Split seid, besucht sein Restaurant Ciri Biri Bela. Voranmeldung erforderlich. Genuss pur garantiert.