Hoffnung

Unser Essen wird auch „klimaneutral“ ausgeliefert. Andy aus Gültstein fährt nämlich mit dem Gülf. Späßle, klimaneutral ist es nicht. Bissle Strom. Bestimmt Öko. Aber Spass macht es offensichtlich.

Bei meinem letzten Besuch hatte ich Hoffnung. Es war eine sehr angenehme Begegnung. Lisa und ich brachten Taschen, die wieder reichlich gefüllt waren. Dieses Mal gab es Linsen und Spätzle. Ein schöner Salat und ein Nachtisch. Apfelschorle. Gespendet. Ich konnte auch alle Pfandflaschen vom Samstag davor wieder mitnehmen. Ich nahm mir dieses Mal die Zeit und setzte mich zu unseren Freunden. Das konnte ich die beiden Wochen zuvor nicht.

Ich gehe auch nicht mehr unvorbereitet hin. Bislang hatte ich meine Besuche immer relativ locker genommen, wie ich halt so bin, und habe mich nie verstellt, weil ich kein „Arzt-Patienten Ding“ oder so was wollte und will. Ich habe Beziehung und Freundschaft. Das ist kein Job, den ich erledige. Ich leide, wenn ich sie leiden sehe. Auch wenn sie selbst keine Ahnung haben, ob oder dass sie leiden. Dieses Mal war Ruhe eingekehrt, was mich besonders freute. Aber nach den letzten beiden Malen habe ich gemerkt, dass ich diesen Ort nicht mehr ohne Gottes Hilfe besuchen kann. Ich muss auf jeden Fall vorher beten. Ich muss mich auf den Besuch einstimmen.

Ich bin einiges gewohnt, immer wieder. Doch es gab auch viele schöne Momente und ich dachte, es geht doch langsam, aber sicher besser. In den langen, dunklen Monaten geschah jedoch etwas. Ich kann es nicht direkt beschreiben. Es ist, als wäre dieser Ort von einem bösen Geist besessen gewesen. Etwas, das das Gute fernhielt.

Und dann hörte ich eine Predigt, dessen Inhalt mich aufrüttelte: die Essenz war in etwa, wir müssen viel mehr beten. Ich betete für unsere Freunde, aber nicht genug. Ich betete nicht für die Dinge, die seit dieser Corona-Zeit geschehen. Es ist irgendwie wie gelähmt. Meine Gebete hatten keine Intensität. Aber genau das brauchen unsere Freunde.

Wenn ich in den letzten zwei Jahren der Seuche gedacht habe, ich hätte Probleme, dann waren das höchstens, wenn überhaupt, Luxusprobleme. Lockdowns, Kontaktbeschränkungen, Maskierung, AHA. Eigentlich konnte ich es relativ gut überstehen, obwohl ich alles daran hasse. Wirklich. Ich habe nicht ein ganzes Leben gelebt, um dann in solch einer Dystopie zu enden. Luxusprobleme. Ist doch alles OK. Und ja, mir geht es gut. Ich habe ein gutes Leben. Weil ich vielleicht kein Suchtproblem habe. Dafür habe ich eine Famile. Und Freunde. Ich verdiene mein eigenes Geld. Die Seuche würde ich sowieso überstehen.

Fast alles Dinge, die ich glaubte, selbst erarbeitet zu haben. Ich dachte, ich hatte mir das verdient. Ja, ich denke, ich bin gesegnet. Ich habe Jesus gefunden. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe sehr viel, für das ich dankbar sein darf. Auch was in meiner Familie geschieht, trotz der Sorgen für meine drogensüchtigen Kinder. Ich erlebe, dass der Segen auch meine Familie erreicht.

Das genaue Gegenteil, wenn ich in der Gegenwart meiner Freunde bin. Wie ich leide und traurig werde, weil die Dinge so sind, wie sie sind und sich eher noch negativ entwickeln. Warum erreicht der Segen nicht unsere Freunde? Bete ich nicht auch für sie?

Ich bin hoffnungsvoll, weil ich an Gottes Zusagen glaube. Jetzt muss ich wohl noch mehr vertrauen. Dieses Elend kann Jesus beenden. Trotz, dass ich vielleicht zu sehr involviert und emotional gebunden bin. Es ist, wie gesagt, nicht irgendein Job. Mein Herz hängt da drin. Das Leiden ist mein Leiden. Nicht irgendeine Realitysoap.

Das Positive behalte ich: ich hatte wieder Hoffnung erfahren und mich meinen Freunden verbunden gefühlt. Die Taschen, die wir verteilen, sind Taschen voller Liebe und nicht nur Nahrung, um einen Bauch zu füllen. Sie sollen auch ihr Herz erreichen und es erwärmen.

Die Situation kann ich nicht ändern. Ich komme Woche um Woche und bin froh, wenn sich nicht schon wieder irgendeine Katastrophe ereignet hat. Keiner verstorben, verhaftet, verkrüppelt. Hier kann alles passieren. Aber ich habe keine Wohnung, keine Waschmaschine, die ich aus der Tasche zaubern kann. Ich fühle mich irgendwie schuldig, weil ich nicht das liefern kann, was sie wirklich benötigen. Ist mein Glaube oder mein Gott zu schwach? Ich hoffe nicht.

Vielleicht sind es nur Phasen und jetzt, wo die Tage länger werden, das Licht länger leuchtet, möchte ich gerne, dass diese große Depression endet. Ich bete wirklich jeden Tag für unsere Freunde und bitte Gott, dass er die Leute einen nach dem anderen herauszieht und dass sie meine Hoffnung zu ihrer Hoffnung machen. Von wem ist Hilfe zu erhoffen?

Diese Hoffnung geht weiter. Spätestens am vergangenen Samstag, als wir den Brunch-Gottesdiens feierten und unsere Gäste begrüssen durften, spürte ich diese Kraft, diesen Frieden und diesen Schalom und Gottes Gegenwart. Micha hielt eine schöne Andacht. Wir beteten für einander. Die Mitarbeiter wirkten alle zusammen an diesem Werk.

Und Lilly hat wieder gekocht. Es gab einen Pusztatopf, Salat und Nachtisch. Dazu allerlei Goodies. Beate und Gerry packten die Taschen und so konnte ich mit Lisa zusammen die Schießmauer beliefern.

Es war wieder alles ruhig und friedlich. Harmonisch. Ich spürte Hoffnung.