Heiliger Abend

An Heilig Abend wollten wir auch noch mal zu unseren Freunden gehen und einen Weihnachtsgruß vorbeibringen. Beate hatte die Taschen vorbereitet. Es fanden sich ein paar nette Leute, die sich ebenso Zeit nehmen wollten.

Und überdies gut drauf waren. Auch wir waren schon vorweihnachtlich eingestimmt, obwohl ein straffer Zeitplan eingehalten werden musste. Die Pute, wir gaben ihr den Namen Putin, war schon seit 9 Uhr im Ofen. Niedrigtemperatur. Baum aufstellen und schmücken, Bruder abholen, Church und das alles ohne Stress oder Zeitdruck. Mehr wie ein Schweizer Uhrwerk.

Es gab noch einmal in diesem Jahr Vespertaschen, die gefüllt waren mit Maultaschen und Kartoffelsalat, einem Nachtisch, Brot und anderen Kleinigkeiten. Wir dachten uns, dass unsere Freunde sich vielleicht auch über einen Tabak freuen würden. Ich hätte mich früher auch gefreut.

Zuerst gingen wir ins Schießtäle. Dort trafen wir Adalbert und Josef, die sich echt gefreut haben. Zwei symphatische Männer, die auch mal bessere Zeiten gesehen haben.

Dann kam es zu einem interessanten Besuch bei der Schießmauer. Unterwegs trafen wir ein paar Bewohner, die auf dem Weg zu den Konsumtempeln waren, um für die kommenden Tage einzukaufen. Was man so braucht. Das Bedürfnis, Weihnachten zu feiern gibt es bei den Bewohnern natürlich genauso. Manchen geht es relativ gut, manchen geht es überhaupt nicht gut. Die Bedürftigkeit ist einfach da. Jeder wünscht sich ein Weihnachten, wie man es aus der Erinnerung kennt, aus der Kindheit. Manche waren schon mehr in „Stimmung“. Manche waren traurig, von der katholischen Kirchengemeinde keinen Gutschein, der übrigens echt gut ankam, bekommen zu haben.

So erlebten wir, was in der Schießmauer alternative Weihnachten sind. Ein riesen Ghettoblaster, viel zu dominant und zu laut. Mein Gefühl. Armin hatte schon eingekauft, hat er mir gesagt, sie würden etwas kochen, aber unsere Maultaschen waren erst mal genau richtig. Anderenorts waren kleine Streitigkeiten zu hören. Irgendwas wegen Handy, geliehen oder so, irgendwas Banales, genug für ein wenig Streit und doch relativ normal.

Wir wollten einfach nur da sein. Das Licht von Weihnachten ein wenig bringen. Danach wären unsere Freunde wieder allein. Was konnten wir also mehr tun, als allen ein Frohes Weihnachten zu wünschen und Gottes Segen? Gottes Treue verkünden.

Unser Tag war ja durchgeplant, also konnten wir nicht sehr viel Zeit verbringen. Ich musste mit meinen Söhnen noch unseren Christbaum schmücken. Männerarbeit.

Vielleicht wurde unser Besuch als schöne Geste aufgenommen. Allerdings glaube ich, werden viele in das Weihnachtsloch fallen, wie jedes Jahr. Jeder kann da rein fallen. Weihnachten ist immer ein Zeitpunkt, den man relativ gut vergleichen kann. Mit dem letzten Weihnachten. Oder dem letzten Weihnachten mit den Kindern oder der Ehefrau oder als es noch schön war.

Dann kommt man in dieses Loch. Das wird zwar dem Sinn von Weihnachten, nämlich der Feier zur Geburt unseres Heilands und Retters nicht gerecht, aber manchmal führt es genau zu diesem in der Not. Ich möchte es auch einfach glauben.