Unser Brunch-Godi zu Weihnachten

Es gab schon vorher Diskussionen, ob und wie man in einer Pandemie mit einer relativ hohen Anzahl positiv Getesteter den Weihnachtsbrunch-Godi stattfinden lassen kann. Das Gute zuerst: der Godi durfte unter strengen Hygieneregeln stattfinden. Wir beteten sehr darum.

Jeder weiß, dass ich kein Befürworter der bestehenden Maßnahmen bin. Ich stehe für das schwedische Modell der Eigenverantwortung. Ich stehe für maximale Freiheit, auch und gerade der Religionsfreiheit. Ich halte absolut nichts von übergriffigen Einschränkungen und Verboten. Ich bin traurig darüber, zu erleben, wie willig jede Maßnahme angenommen wird. Wie sinnfrei oder widersprüchlich sie auch sind. Manches beleidigt überdies meine Intelligenz.

Aber darum ging es heute nicht. Heute wollten wir feiern. Wir trafen uns in der Süddeutschen Gemeinschaft. Wir beteten. Unsere Gäste kamen und wir begrüßten sie so herzlich wie möglich. Mit Masken. Es wurden 25 Leute. Zuerst sangen Beate und Elke zwei Weihnachtslieder. Begleitet wurden sie von Doris. So wunderschön.

Micha hielt seine kleine Andacht und legte den Fokus auf die Herrlichkeit Jesu. Nur durch Glauben oder Vertrauen auf ihn können wir an dieser Herrlichkeit teilhaben. Die Ewigkeit ist unser Geschenk. Es ist ja kein Zwang dahinter, du musst glauben. Doch wer vertraut, wird diese Belohnung erhalten. Es gibt weder Menschen noch Mächte, die diese Vollmacht haben. Es ist Gottes Wort. Nicht Menschen Wort. Zu sehen, dass Menschen erste, zaghafte Glaubensschritte tun, ist wahrlich ein Geschenk. Heute waren sie zahlreich erschienen. Nicht alle. Wie immer schaffen es manche nicht zu uns.

Heute nahmen manche eine Botschaft mit nach Hause. Eine Botschaft der Hoffnung. Es war kein Barscheck. Oder eine Arbeitstelle. Neue Zähne. Eine Wohnung. So sehr wir diese Not lindern möchten, so sehr wir unseren Freunden Licht und Liebe in ihr Herz legen möchten: Den ersten Glaubensschritt muss jeder selbst tun. Wir dürfen begleiten und ermutigen. Wir dürfen Beispiel sein. Wie Rettung möglich ist.

Die Not ist da, sie ist greifbar. Das Bedürfnis nach Auflösung aller Zweifel, der Wunsch nach Heilung, die Sehnsucht, glauben zu können ist da. Zu Weihnachten vielleicht noch mehr als üblich. Und doch gehen manche wieder nach Hause und können nicht glauben. Wieder im Hamsterrad. Ach wie schön wäre dieser Glauben. Vielleicht nächsten Monat. Wir vom Brunchteam müssen geduldig sein.

Gott ist auch geduldig. Er schenkte uns seine Gnadenzeit. Viele kommen zum Glauben. Viele zweifeln noch. Und das ist so normal. Hier in unserem Land, einem relativ wohlhabenden Land gibt es eine soziale Kälte. Man könnte vermuten, dass in den letzten Monaten dieser Pandemie diese Kälte stärker spürbar sein müsste. Doch wir erleben etwas anderes. Da sind unsere Gäste. Sie sind viel bedürftiger. Sie suchen einen Sinn. Sie suchen Antworten. Sie suchen vor allem Wärme.

Sie kommen zu unserem Brunchgodi um Gemeinschaft trotz Masken zu haben. Manche kommen deshalb nicht mehr. Die Zeiten sind krass. Nicht jeder kann Maske tragen. Und ertragen. Was muten wir unseren Gästen zu (und uns)? Ich schaue in die Augen unserer Gäste. Ich kenne alle. Früher sah man auch ihr Lächeln. Meine Hoffnung ist, dass es irgendwie auch mal wieder anders wird. Schwedischer. Wer Maske tragen will, darf sie tragen.

Ok, aber ich will hier kein Plädoyer für eine andere Strategie im Umgang mit dem Virus halten. Es ist, wie es ist. Ich hätte gern mehr Nähe. Das ist alles. Wir möchten Menschen erreichen und ihnen begegnen. Gespräche, gemeinsam essen. Dies ist jetzt nicht möglich. Oder zumindest stark eingeschränkt.

Etwas Schönes geschah spontan. Elke fragte nach der Predigt, ob jemand einen Liedwunsch hätte. Und Karin wünschte sich Paul Gerhards „Wie soll ich dich empfangen“. Paul Gerhard, so viel Tiefe und angemessen. Wir befinden uns nicht mehr in der normalen Zeit. Und wie Paul Gerhard solche Lieder schreiben konnte ist ganz klar: Es muss Not herrschen.

Zum Schluss durften alle Besucher sich eine Tasche mit Geschenken und eine Vespertasche mitnehmen. Die übrigen Taschen fuhren Lisa und ich in die Schießmauer. Andere Mitarbeiter fuhren zu Freunden, die es heute nicht nach Herrenberg geschafft haben.

In der Schießmauer besuchten wir Armin und Rene, Dima, Alex, Michael, Karsten. Wir trafen Dima und Dirk. Er erzählte uns seine krasse Geschichte. Sehr bewegend. Erschütternd. Lisa betete für ihn, wie sie schon früher für Dima gebetet hatte. Hier in der Notunterkunft sind die Schicksale noch einmal verschärfter. Wir konnten alle unsere Taschen abliefern. Die Dankbarkeit ist echt. Die Menschen sind echt.

Ich möchte jetzt auch noch gerne erwähnen, dass wir am heutigen Tag Besuch von einer Journalistin hatten, die unsere Arbeit, unseren Dienst begleitete. Ich hoffe sehr, dass sie ein paar Einblicke erhalten konnte, wie Menschen in Armut leben und auch wie liebenswert diese Menschen sind. Ich hoffe, wir können Menschen erreichen und ihre Herzen.