Abschied und Neuanfang

Eigentlich bin ich seit ein paar Tagen ziemlich traurig. Hab schlechte Nachrichten gehört. Ein alter Freund von der Schießmauer. Krank. Wie schlimm, weiß ich noch nicht. Lisa hat ihn schon besucht. Beate auch schon. Ich noch nicht. Ich trau mich noch nicht. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen kann.

Es ist, als würde ich mich weigern, an etwas Unvermeidbarem teilhaben zu wollen. Unerhört.

Vielleicht ist es, weil ich unweigerlich mit meiner eigenen Vergänglichkeit konfrontiert werde. Ich habe mich mit dem Tod beschäftigt. Immer wieder. Doch gerade, fing ich an, ihn zu vergessen.

Vielleicht dachte ich schon, ich könnte meinen eigenen Tod akzeptieren. Ja, ich glaube an ein Leben nach dem Tod. Ja, ich glaube daran, dass ich durch meinen Glauben an Jesus Christus gerettet werde. Ja, ich glaube daran, dass ich bei Jesus im Paradies sein werde. Wo also ist das Problem?

Mich treibt eine Sehnsucht. Ich möchte, dass noch mehr Menschen, vor allem auch meine Söhne, „gerettet“ werden. Ich möchte, dass meine Freunde, die ich über Brunch und unseren Verein kenne, „gerettet“ werden. Meine Geschwister sollen „gerettet“ werden. Und eigentlich noch viel mehr Menschen. Alle Menschen.

Aber wie geht das? Was heißt es, gerettet zu sein? Ist es einfach? Ja und nein. Nein weil wir zuerst Jesus kennenlernen wollen müssen. Wir müssten zuerst glauben wollen. Daran glauben wollen, dass es einen Gott gibt. Das allein ist schon schwer genug. Wo ist Gott? Was ist Gott? Warum ist es dieser Gott? Und an seinen Sohn, der sich von Römern vor 2000 Jahren ans Kreuz schlagen ließ. Das ist doch unwürdig. Erbärmlich. Denken viele, wenn sie vom Sohn Gottes hören.

Der Verstand wird es nicht wollen. Er glaubt nicht von Natur aus. Der Verstand ist nicht in der Lage, Gott zu akzeptieren. Und auch nicht Jesus, der meist ein netter Mann war. Kranke geheilt, Tote aufgeweckt, selbst auferstanden. Gutaussehend, stark, charismatisch. Modelmässig. Das ist zu viel für unseren Verstand, es widerspricht allem, was wir zu wissen glauben. Und warum ist er nicht mehr hier? Ist dieser Gott nicht tot?

Glauben würde bedeuten, dass wir etwas Größeres als uns selbst akzeptieren würden. Ohne Beweise. Wo wir doch so gut sind. Oder zumindest ok. Und mal ganz ehrlich: wir selbst sind doch das Maß aller Dinge. Wir sind alle Egoisten. Wir können das natürlich gut verschleiern, denn eigentlich ist Egoismus etwas Negatives. Wir können es so gut, dass wir es fast selbst glauben.

Wir wollen alle Teil von etwas sein. Wenn wir nicht an Gott, den Vater glauben können, und an Jesus Christus, seinen Sohn, glauben wir an irgendetwas anderes, oder tun so. Deshalb gibt es so viele Organisationen und Parteien, die alle das Beste für die Menschen wollen. Dafür muss man etwas Gutes tun. Oder man schwenkt ein Fähnchen, trägt eine Armbinde oder hat einen Regenbogen im Profilbild. Man spendet an Greepeace, hüpft für Fridays For Future, ist im Tierschutz aktiv. Man ist Veganer oder zumindest Vegetarier. Und natürlich Bio. Biobio, wie meine Gayathiri sagen würde. Oft sind es Pseudo-Handlungen, Virtue Signalling. Mit ein paar Likes fühlt man sich auch schon besser. Mit vielen Likes… Gar nicht auszudenken.

Die Rettung, die ich meine, ist das Himmelreich Gottes. Es wird nicht durch gute Taten errichtet. Man löst auch keine Eintrittskarte durch gute Taten. Obwohl die Taten automatisch kommen. Jesus Christus verändert einen. Der Heilige Geist wirkt und bringt Früchte und schenkt uns Gaben des Geistes.

Viele meinen, es fängt erst nach dem Tod an. Dem möchte ich widersprechen. Wir können schon jetzt in diesem Himmelreich leben. Sind nicht mehr Teil dieser Welt, obwohl wir noch in dieser Welt leben.

Es ist ein Frieden. Es ist Freude. Manchmal Glückseligkeit. Doch es geht nicht um Glück. Glück ist sowieso überbewertet. Das Streben nach Glück ist der verkehrte Weg für einen Nachfolger Jesu. Ich vermeide das Wort Christ, denn es nennen sich alle möglichen Leute Christen. Es sollte eine Einheit sein, aber Einheit gibt es eher im Fanblock vom VfB Stuttgart, als unter Christen. Alle weltlichen Schwächen und Fehler haben wir natürlich auch. Keiner ist schon heilig und doch sind wir geheiligt. Ein Widerspruch?

Wenn wir anfangen, uns heilig zu fühlen, weil wir zu den Guten gehören, sind wir schon verloren. Wir sind nichts weiter als Sünder, wie jeder andere auch. Nicht besser als irgendjemand sonst. Dieses Himmelreich, das schon jetzt existiert, liegt direkt vor uns. Es ist schon manchmal in uns. Aber so oft versagen wir. Selbst die Besten. Wir sind schwach. Jedoch, wenn wir uns zu dieser Schwachheit bekennen und keine Fake-Christen sein wollen, sondern ernsthaft, dann sind wir auf der richtigen Spur. In unserer Schwachheit erkennen wir die Schwachheit der anderen und können mitfühlend werden und könnten wirklich eins werden in Jesus. Es heißt, in der Schwachheit werden wir stark. Und dann ist es leicht und es wird leichter.

Es geht nicht um Höchstleistung. Es geht nicht um Perfektion. Es geht nichtsdestoweniger darum, unser Bestes zu geben. Auch wenn wir nichts haben. Die Welt ist so, dass sie diesen Glauben als Torheit verwirft. Glaubende werden belächelt und auch verspottet. Keiner glaubt daran, dass es einen Gott gibt, das Gott existiert und dass es Hoffnung für diese Welt und jeden Einzelnen gibt. Wie auch? Dazu bräuchte man einen Glauben an eben diesen Gott.

Zurück zu unserem Freund, der vielleicht im Sterben liegt: Er möchte glauben und hat immer wieder Schritte hin gemacht. Er hat sein Leben Jesus übergeben. Jetzt mag er verzweifelt sein und schwach. Und er ist auch noch nicht so lange im Glauben gewachsen, wie manche unserer Geschwister im hohen Alter, die sich auf Jesus freuen und darauf hin leben. Meine Glaubensvorbilder. Sein Leben war oder ist eines der Leben, wie sie unsere Freunde leben. Er hat irgendwann seine Sucht notgedrungen, mehr oder weniger aufgegeben. Es ging halt nicht ohne Hilfe. So hat er die vergangenen Jahre ausgeharrt, hat vielleicht Lebensjahre geschenkt bekommen.

Und doch alles vorbei? Ich glaube nicht. Auch wenn Verzweiflung da ist, und Wut oder Zorn. Am Ende müssen wir uns hingeben. Loslassen. Das Unvermeidliche dieses Lebens. Das Ende. Doch wenn es ein Neubeginn ist? Wenn dieses Leben auch nicht das perfekte Universum war, wie ein ungeborenes Kind im Leib der Mutter, so hat das Ende schon den Neubeginn angelegt. Für einen Menschen, der glauben kann, dass Jesus Christus lebt und für unsere Schuld bezahlt hat, auf dass wir alle Kinder Gottes genannt werden, ist der Tod nicht das Ende, sondern der Anfang.

Nur so macht unser Leben überhaupt einen Sinn. Es geht nur um diese Erkenntnis. Alles andere ist bedeutungslos. Genau das ist mein Glaube und meine Hoffnung. Für unseren Freund. Für all unsere Freunde.

Wie ich schon mal schrieb, es ist ein Leben wie im Krieg. Rechts und links fallen die Kameraden und vor uns der übermächtige Feind. Und doch dürfen wir mutig voran schreiten. Wir dürfen getrost sein, denn Gott ist mit uns. Wir sind Brüder und Schwestern im Kampf. Und jetzt brauche ich Mut für diese Begegnung und für andere, weitere Begegnungen. Denn es sind viele Schlachten noch zu schlagen.